Die hängenden Wiesen

Sogar Felsblöcke bewirtschaften

Kleinstflächen zum Überleben

Die hängenden Wiesen beweisen einmal mehr den Einfallsreichtum und die Beharrlichkeit der Bewohner dieses engen Tales, in dem fruchtbarer Boden selten ist und jede verfügbare Fläche zur Gewinnung von Kulturland genutzt wurde. Wenige Quadratmeter Erde auf Felsblöcken, meist von äusserst geschickt angelegten Trockenmauern gestützt, um Gemüse oder häufiger eine Handvoll Gras ansäen zu können. Beides war unverzichtbar in einer autarken Gesellschaft, in der jedes geerntete Gramm kostbar war.

Eine von der Fondazione geprägte Bezeichnung

In einer Publikation zu diesen besonderen kulturlandschaftlichen Objekten definierte die Fondazione die «hängende Wiese» als Felsblock, auf dem Vegetation wächst und der deutliche Spuren dafür aufweist, dass die Erde vom Menschen aufgebracht wurde, um neue Anbauflächen zu schaffen. Obwohl diese Felsblöcke in der lokalen mündlichen Tradition teilweise giarditt (Wiesen/Gemüsegärten) oder balói (Felsblöcke) genannt werden, entschieden wir uns für den weit gefassten Begriff prato pensile, «hängende Wiese».

Der allmähliche, unausweichliche Niedergang

Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die Entwicklungen im Primärsektor dazu, dass abgelegenere und schwieriger zu bewirtschaftende Anbauflächen wie beispielsweise die hängenden Wiesen nach und nach aufgegeben wurden. Die meisten dieser Objekte wurden im Laufe der Zeit vom Wald verschluckt, der sich die Wiesen und Weiden allmählich wieder aneignete. In den vergangenen Jahrzehnten engagierte sich die Fondazione für die hängenden Wiesen und legte ein Inventar an, das über 150 Objekte umfasst, davon rund 100 in völlig verwildertem Zustand. Wenn man alle Landstücke zusammenrechnet, ergibt sich eine Anbaufläche von rund 6’500 Quadratmetern.

Wiederherstellung hängender Wiesen

Dank der engen Zusammenarbeit zwischen der Fondazione, den jeweiligen Eigentümern sowie Forstbetrieben und Handwerkern des Sektors konnten etwa fünfzehn einzigartige hängende Wiesen instandgesetzt werden, einige davon in abgelegenen Gebieten. Diese Massnahmen sind nur deswegen sinnvoll, weil die künftige Pflege durch die Eigentümer, die lokalen Behörden oder Freiwilligeneinsätze gewährleistet ist. Auf diese Weise erhält die Landschaft jahrhundertealte Zeugen des bäuerlichen Lebens im Bavonatal zurück. Die Fondazione bietet regelmässig Exkursionen zu den charakteristischsten balói, giarditt und pradói an, Interessierte können diese Kleinode also vor Ort entdecken.